Online-Liebe…

 

 

Eine Frau und ein Mann in einem Eisenbahnabteil. Sie kommen miteinander ins Gespräch, finden sich sympathisch. Die Stimmen, das Aussehen, das Alter, alles passt. Als sie feststellen, dass sie auch noch in der gleichen Stadt wohnen, treffen sie eine Verabredung. Vielleicht wird mehr daraus.

Eine Frau und ein Mann treffen sich im Internet, in einem Chat -raum, im Usenet, durch einen Email-Kontakt. Irgendetwas, gemeinsame Interessen zum Beispiel, oder eine Meinungsäußerung, die zur Nachfrage reizt, führen dazu, dass über den ursprünglichen Anlass hinaus Emails gewechselt werden.

Langsam kommt man sich näher, tauscht nun auch Persönliches aus. Nach einiger Zeit gehört mindestens eine Email pro Tag zu dem, was beide voneinander erwarten können. Sympathie entsteht, Freundschaft, und es mehren sich die Signale, die eine noch engere Bindung versprechen.

Schließlich findet einer von beiden den Mut, von Liebe zu sprechen, Erotik kommt ins Spiel. Wie ist das möglich, was ist da passiert?
Im Gegensatz zu den beiden in der Eisenbahn musste das Online-Paar bis zu diesem Zeitpunkt ja auf alles verzichten, was in der realen Welt Menschen zueinander finden lässt: Die Farbe der Stimme, der Blickkontakt die Körpersprache, das Aussehen, der Kleidungsstil.

 In den News Letter war neulich zu lesen:

„Wissenschaftler haben herausgefunden, dass unsere Kommunikation aus folgenden Elementen besteht: Körpersprache 78%, Tonfall 14%, Worte 8%.“ Unterschiedliche Untersuchungsmethoden mögen andere Prozentangaben ergeben. Es dürfte aber plausibel sein, dass in der 3d-Welt die Worte der Beglaubigung durch Körpersprache, Stimme und Tonfall bedürfen.

Trotzdem kann online Sympathie, Liebe, sogar Erotik zwischen Menschen entstehen, die voneinander nur die Worte kennen, die sie beim Chatten oder in Emails ausgetauscht haben.

Darin zeigt sich die wunderbare Kraft der Worte. „Am Anfang war das Wort“, heißt es schon in der Bibel. Der Anteil der Worte mag beim Zustandekommen von Kommunikation prozentual geringer sein, als der von Körpersprache und Stimmfärbung. Gleichwohl sind die Worte der entscheidende Bestandteil.

Online bewirken sie, dass bewusst oder unbewusst, wenigstens schattenhaft, ein Bild des Gegenübers entsteht, das die übrigen Elemente der Kommunikation schon enthält.

Das ist freilich auch der Grund für die Zerbrechlichkeit der Online-Liebe: Schon die nächste Email von ihm oder von ihr kann einen Satz, ein Wort, eine Aussage enthalten, die dieses Bild des Gegenübers stört, oder gar zerstört. Selbst wenn dem objektiv gesehen nur ein Missverständnis zugrunde liegt, der Andere seine Worte nicht so gemeint hat, wie der Empfänger sie aufgenommen hat, kann das Ende schon bevorstehen.

Unterschiedlicher Sprachgebrauch aufgrund von verschiedenartigem Herkommen oder Bildungstand, auch die momentan vielleicht schlechte Stimmung des Anderen können solche Missverständnisse hervorrufen. Dadurch kann es zur absoluten Funkstille kommen zwischen Menschen, die sich noch am Tag davor ihrer Seelenverwandtschaft sicher waren.

Wenn die Partner das Stadium der Online-Liebe ohne solche Störungen erreicht haben, dann kommt es sehr darauf an, ob beide mehr oder weniger stillschweigend davon ausgehen, dass es zwischen ihnen beim Austausch von Email bleiben soll, oder ob beide die Online-Liebe als Vorstadium einer realen Beziehung aufgefasst haben.

Bleibt es bei der Online-Beziehung, dann hängt ihre Dauer und Intensität allein vom Willen und vom Einfühlungsvermögen beider Partner ab. Wenn dagegen einer von ihnen oder beide mehr wollen, den Austausch von Fotos, Telefongespräche, und schließlich ein Zusammentreffen von Person zu Person, dann müssen die übrigen Bestandteile der Kommunikation nachträglich die Wahrheit der beim Chatten oder in Emails ausgetauschten Worte beglaubigen:

Verheerend, wenn wesentliche Angaben in den Emails unzutreffend waren. Aber auch wenn alles gestimmt hat, gibt es keine Garantie, dass die Chemie zwischen beiden stimmt, dass ihre Liebe Bestand hat. Aber das ist ein anderes Thema.